«Es tut einfach zu sehr weh»

Gedanken zum Ende des Tierlebens

Wie oft hören wir, dass Tierbesitzer es sich nicht mehr vorstellen können, ein «neues» Tier zu sich zu holen. Es schmerze zu sehr, einen geliebten Vierbeiner zu verlieren. Und doch gehört es zum Leben dazu – das Sterben und auch das Begleiten dabei. Der letzte Gang soll würdevoll sein. Natürlich wünschen wir uns, das Büsi möge einfach sanft entschlafen, der Hund am Morgen im Bettli liegenbleiben. 

Wir möchten, dass uns die Entscheidung abgenommen wird und wir den schweren Gang nicht gehen müssen. Dabei vergessen wir, dass «auf die Welt kommen» oder «aus der Welt scheiden» selten schnell geht. Gerade wir Menschen brauchen manchmal lange, um oft stark benebelt von Medikamenten ins Jenseits zu schweben.


Was ist ein guter Tod?

Die natürliche Art des Sterbens bleibt unseren Haustieren erspart oder verwehrt – ganz wie man es sehen möchte. Wenn das Leben unseres Begleiters nicht mehr lebenswert erscheint, so haben wir die Möglichkeit des «guten Todes», denn das bedeutet Euthanasie in der Übersetzung. Vor allem bei alten und kranken Tieren kann viel Zeit vergehen, bis die Besitzer sich für ein Abschiednehmen entscheiden können. Natürlich kennen Sie Ihr Tier am besten, aber lassen Sie sich von uns Tierärzten unterstützen, damit alle Aspekte berücksichtigt werden können. Fragen wie zum Beispiel «Wie weit fortgeschritten ist eine Krankheit und wie sehen die Prognosen aus?» oder «Anhand welcher Kriterien beurteilen wir die Lebensqualität?» stehen im Vordergrund. Wir beobachten, dass Tierhalter manchmal alles Schlimme und Traurige ausblenden. Gerade in solchen Momenten ist es 

im Sinne Ihres Tieres und unsere Aufgabe als betreuende Tierärzte, den wirklichen Zustand des Patienten darzulegen. Dabei spielt es auch eine Rolle, wie es um Ihre Ressourcen, die emotionalen, die zeitlichen, die kräftemässigen, vielleicht auch die finanziellen aussieht. Wir möchten Sie mit diesem Text für das Thema «Abschied» sensibilisieren. Denn oft warten wir zu lange, bis wir uns zu der Entscheidung durchringen können, diesen zu planen. Selten hören wir im Nachhinein, dass das Tier zu früh eingeschläfert wurde. Viel mehr ist rückblickend jeder Tag des Leidens zu viel. Wir verstehen, dass Sie Schuldgefühle plagen, wenn Sie daran denken, das Leben Ihres Tieres bewusst zu beenden. Aber bedenken Sie, dass es verschiedene Kriterien gibt, die neben den Emotionen für den Entscheid von Wichtigkeit sind. Gerne stellen wir Ihnen zwei Aspekte näher vor:


Lebensqualität des Patienten

Für Tierhalter kann es sehr schwierig sein, die Lebensqualität ihres Lieblings zu beurteilen. Je nach Erkrankung und Typ ist zum Beispiel das Fressverhalten kein guter Indikator. Ein Labrador mit Arthrose im höchsten Stadium kann vielleicht kaum laufen, aber fressen wird er immer, wohingegen ein kleiner Yorkie mit Herzversagen und Atemnot keinen Appetit mehr zeigt. Und doch leiden beide und die Lebensqualität ist massiv eingeschränkt. Schmerzen können so zentral werden, dass zum Beispiel ständiges Hecheln oder nächtliche Unruhe die Folge sind. Dann leidet Ihr Tier. Als guter Indikator können Sie sich merken: Wenn Ihr Tier Dinge nicht mehr tut, die ihm einst das Liebste waren, so leidet das Tier. Wenn Aktionen ausbleiben, wie vielleicht Katzen jagen oder den Nachbarshund ankläffen, dann leidet Ihr Tier vielleicht. Führen Sie ein Tagebuch über die guten und schlechten Tage. Es kann Ihnen die Augen öffnen für den wirklichen Zustand Ihres Patienten.

Ressourcen der Tierhalter

Unbedingt zu berücksichtigen gilt es auch die sogenannten Ressourcen der Tierhalter. Schlaflose Nächte über Monate wegen einer Tag-Nachtumkehr beim Tier können zermürbend sein. Einen 30-Kilogramm-schweren Hund jeden Tag zwei Stockwerke hochzutragen, geht bei den meisten über ihre Kräfte. Vielleicht wird auch das Familienbudget zu sehr strapaziert, wenn bei einem alten Tier noch eine teure Operation gemacht werden müsste. Möglicherweise muss der Hund alle zwei Stunden nach draussen, was bedeuten würde, dass der Tierhalter seine berufliche Tätigkeit vernachlässigen würde. All dies sind Faktoren, welche unbedingt in eine Entscheidungsfindung hineingehören.


Der letzte Gang in Würde

Wie können wir den Moment planen?

Den Moment des Abschieds planen wir mit Ihnen und begleiten Sie und Ihr Tier. Oft wird ein Hausbesuch gewünscht. Gerade für Hunde und Katzen, für welche der Praxisbesuch grossen Stress bedeutet, ist dies eine gute Option. Der Patient kann im Kreis seiner Liebsten sanft einschlafen. Sein Lieblingsplatz im Garten oder im Bettchen sorgt für weniger Stress. Auch Kinder gehen gemäss unserer Erfahrung selbstverständlich und ohne Ängste mit dem Tod um. Sie sollten nicht ausgeschlossen werden – es sei denn, das Kind wünscht dies.

 

In ruhiger und stressfreier Umgebung wird dem Tier zuerst eine Beruhigungsspritze verabreicht. Meist geschieht dies unter die Haut, in die Muskulatur oder vielleicht auch via Venenkatheter direkt intravenös. Erst wenn der Patient tief schläft, erhält er ein Schlafmittel, welches so dosiert ist, dass er aus dem Schlaf nicht mehr erwacht. Herz und Atmung stehen still und der Tod ist eingetreten. Danach sollen alle Anwesenden genügend Zeit haben, um sich in Ruhe und allein von Ihrem Liebling zu verabschieden.

Was wäre noch schön, bevor wir Adieu sagen?

Die sogenannte Bucket List spielt für viele Menschen zu Lebzeiten eine Rolle und bedeutet, dass man sich Wünsche erfüllt und Dinge möglich macht, sei es im Verlauf seines Lebens, oder eben wenn dieses zur Neige geht. Warum also nicht eine Bucket List für unser Tier am Ende seines Lebens? Vielleicht ein letztes Mal noch im Rhein schwimmen, oder eine ganze Bratwurst essen dürfen. In Frauchens Bett schlafen oder im Cabrio mitfahren. Noch einmal den Briefträger ankläffen oder von den liebsten Hundefreundinnen Besuch erhalten.

Was geschieht danach?

Die Entscheidung, was nach dem Tod mit dem Tier geschieht, ist sehr individuell und wird nie kritisiert. Ob Kremation, Erdbestattung oder eine andere Möglichkeit,  folgt ganz dem Wunsch der Tierhalter. Wir stehen Ihnen beratend zur Seite.

Ganz wichtig zum Schluss.

Wir erleben nicht selten, dass die Entscheidung für eine Euthanasie lange hinausgezögert wird. Wir verstehen das. Aus diesem Grund können Notfallsituationen entstehen. Mit anderen Worten: Der letzte Gang führt in eine fremde Tierarztpraxis – vielleicht ausserhalb der Arbeitszeiten oder sogar nachts und in grosser Eile. Er wird für alle zur Stresssituation. Versuchen Sie dies zu vermeiden. Besprechen Sie das Thema frühzeitig mit der Tierärztin Ihres Vertrauens. Wir verstehen Ihre Schuldgefühle und nehmen Sie ernst. Wir denken aber auch an das Tierwohl und berücksichtigen die oben genannten Kriterien als Ganzes.